Wofür eine Supervision?

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Gruppe von Figuren mit Puzzleteilen. Supervisior mit einem zusammengesetzten Puzzle aus den Teilen.
Gruppe von Figuren mit Puzzleteilen. Supervisor mit einem zusammengesetzten Puzzle aus den Teilen.

Wofür eine Supervision, wenn wir doch einen Scrum Master/Agile Coach haben? Die Frage stellen sich vermutlich einige, die das erste Mal hören, dass ein Team einen Supervisor eingeladen hat, etwas zu tun, was in Berufen im sozialen oder karitativen Umfeld Gang und Gäbe ist. Solche Menschen mit hohen emotionalen und psychischen Druck werden geradezu verpflichtend angeleitet, in einer Supervision über ihre Arbeit und das Verhältnis zu ihren Kollegen und Klienten zu reden.

Doch was hat das mit einem Softwareentwicklungsteam zu tun? Die Antwort liegt in den Rollen, in denen wir unsere Arbeit erledigen. Hier kann es zu Spannungen zwischen der Erwartungshaltung und den Bedürfnissen kommen. Jeder Mensch hat unterschiedliche Erfahrungen und damit Wahrnehmungen. Wie intellektualisieren unser Beobachtungen und damit sind sie immer einzigartig. Wenn darüber nicht gesprochen wird und ein Abgleich erfolgt, kann es zu Missverständnissen und Konflikten kommen.

Doch die Frage bleibt. Dafür haben wir doch den Scrum Master. Das ist zum Teil auch richtig und ein Scrum Master kann neben den Fragen zum Prozess, oft auch Fragen zur besseren Zusammenarbeit mit den Kollegen beantworten. Aber so viel Mühe sich ein Scrum Master auch gibt, unabhängig oder sogar allparteilich zu sein, so bleibt er doch immer ein Mitglied des Scrum-Teams. Absolute Objektivität ist damit nicht mehr erreichbar. Zudem wird von dem Scrum Master quasi erwartet, dass eine Lösung für ein Problem in ein bis zwei Stunden, während der Retrospektive gefunden wird.

Dafür ist die doch da, oder? Wie oft hört man den Satz:”Wir reden doch jedes Mal über dasselbe.” Oft werden dann nur die Symptome behandelt, aber nicht das chronische Problem. Wie nah kann man in einer Stunde dem Kern des Problems kommen? Kann ein Scrum Master ohne Ausbildung in Psychologie das überhaupt leisten? Selbst Mediatoren arbeiten nur an der Oberfläche des Problems im hier und jetzt für die Zukunft mit einer Lösung. Bräuchte das Team nicht eher ein Psychotherapie oder sogar Spuren eine Psychoanalyse? Ein Supervisor ist in der Regel auch ein Psychologe mit Erfahrungen in genau diesen beiden Bereichen. Sie oder er nimmt sich die Zeit, die es braucht. Sie stellen dem Team eine wichtige Frage:

“Was glauben Sie, wird nach der Supervision besser sein als zuvor?”

Es werden die Themen gesammelt, die das Team und die Teammitglieder bewegen. Die Themen werden wertfrei umgeformt und allein dafür braucht es manchmal einen Außenstehenden, der nicht selbst in den Konflikt involviert ist. Danach kann man Thema für Thema zum Kern des Konfliktes kommen und hoffentlich, nach einer emotionalen oder sachlichen Diskussion, eine gemeinsame Lösung finden.

Nicht jedes Team braucht einen Supervisor. Manche schaffen es, offen mit ihren Konflikten umzugehen. Sie können über ihre Unterschiede reden und sich verstehen lernen. Sie können über ihre Erwartungen sprechen und sie vernünftig anpassen. Sie schaffen es auch aus emotional stressigen Situationen herauszukommen und sich weiterhin in die Augen sehen zu können.

Andere bitten um Hilfe, wenn sie Hilfe brauchen und das ist auch gut und richtig so. Manche bitten um die Hilfe eines Supervisors, wenn die Konflikte im Team zu lange gereift sind, als dass man sie in 1-2 Stunden Retrospektive aufbrechen könnte.

Zu dieser Einschätzung sind wir auch beim Team RED gekommen, das Monate, wenn nicht Jahrelang ohne einen Scrum Master zu einem sehr guten Scrum Team gewachsen ist. Nur hatten sie dabei niemanden, der so objektiv wie möglich und manchmal notwendig, die wahren Konflikte angesprochen hat. Dennoch sind wir zu der Erkenntnis gekommen die Hilfe anzufordern, die auch ein Scrum Master dem Team nicht mehr geben konnte. Damit sind wir die ersten* bei Thalia, die mit einem Supervisor zusammenarbeiten. Unser Ziel ist es, die Zusammenarbeit durch ein besseres Verständnis unserer Persönlichkeiten zu verbessern. Der Weg dahin wird nicht immer ohne schmerzvolle Erkenntnisse ablaufen und wir stehen noch relativ am Anfang. Die Veränderungen sind noch klein, aber von Bedeutung. Wir gehen von ungefähr acht Besuchen des Supervisors alle sechs Wochen aus und werden sehen, wie wir uns verändern. Wir werden kaum unsere Persönlichkeiten verändern, aber unser Verhalten können wir noch beeinflussen.

*soweit dem Autor bekannt ist

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